Der Hase im
      Rausch
 
Der Igel hatte
      einst zu seinem Wiegenfeste
      den Hasen auch im Kreise seiner Gäste,
      und er bewirtete sie alle auf das Beste.
      Vielleicht ist’s auch sein Namenstag gewesen,
      denn die Bewirtung war besonders auserlesen,
      und gradezu in Strömen floß der Wein,
      die Nachbarn gossen ihn sich gegenseitig ein.
      So kam es denn, daß Meister Lampe bald zu schielen anfing,
      er verlor den Halt.
      Er konnte nur mit Mühe sich erheben
      und sprach die Absicht aus, sich heimwärts zu begeben.
      Der Igel war ein sehr besorgter Wirt
      und fürchtete, daß sich sein Gast verirrt.
      wo willst du hin mit einem solchen Affen?
      Du wirst den Weg nach Hause nicht mehr schaffen
      und ganz allein im Wald dem Tod entgegengehn,
      denn einen Löwen, wild, hat jüngst man dort gesehn.
      Dem Hasen schwoll der Kamm, er brüllt in seinem Tran:
      Was kann der Löwe mir, bin ich sein Untertan?
      Es könnte schließlich sein, daß ich ihn selbst verschlinge,
      den Löwen her! Ich fordere ihn vor die Klinge!
      Ihr werdet sehen, wie ich den Schelm vertreibe,
      die sieben Häute, Stück für Stück, zieh ich ihm ab vom Leibe
      und schicke ihn dann nackt nach Afrika zurück.
      Und so verließ der Hase also bald das fröhlich laute Fest
      und er begann im Wald von einem Stamm zum anderen zu wanken
      und brüllt dabei die kühnlichsten Gedanken
      laut in die dunkle Nacht hinaus.
      Den Löwen werde ich zerzausen,
      wir sahn in dem Wald noch ganz andre Tiere hausen
      und machten ihnen doch den blutigen Garaus.
      Infolge des geräuschvollen Gezeters und des Gebrülls des trunknen
      Schwerenöters,
      der sich mit Mühe durch das Dickicht schlug,
      fuhr unser Löwe auf mit einem derben Fluch
      und packt den Hasen grob am Kragen.
      Du Strohkopf willst es also wagen, mich zu belästigen mit dem Gebrüll
      ... doch warte mal, halt still! Du scheinst mir ja nach Alkohol zu
      stinken.
      Mit welchem Zeug gelang es dir, dich derart sinnlos zu betrinken?
      Sofort verflog der Rausch dem kleinen Tier, er suchte rasch, sich
      irgendwie zu retten.
      Sieh - wir - nein ich - ... - oh, wenn sie Einsicht hätten,
      ich war auf einem Fest und trank viel Alkohol, doch immer nur auf euer
      Gnaden Wohl
      und eurer guten Frau und eurer lieben Kleinen.
      Das wäre doch, so woll’ es mir scheinen,
      ein trift’ger Grund, sich maßlos zu besaufen.
      Der Löwe ging in’s Garn und ließ den Hasen laufen.
      
      Der Löwe war dem Schnaps abhold und haßte jeden Trunkenbold,
      jedoch betörte ihn, wie dem auch sei, des Hasen Speichelleckerei.
      Berlin 1964
      vorgetragen von Eberhard Esche
      
        
         
      
        
            
Eberhard Esche
        
        
	
Eberhard Esche


